„Gutes Design muss nicht immer praktisch sein“
Unter dem Titel „What’s next?“ startet Aiways eine Interviewreihe mit Gesprächspartnern aus Industrie, Wirtschaft und Politik. Die sechste Gesprächspartnerin ist Alexandra von Frankenberg, Gründerin des erfolgreichen Trachtenlabels „Amsel“ und erfolgreiche Innenausstatterin. Mit Aiways Geschäftsführer Dr. Alexander Klose unterhielt sie sich vor allem über Design und warum die Form nicht immer der Funktion folgen muss. Alexandra von Frankenberg zitiert dabei gerne Carlos Obers: „Design ist Kunst, die sich nützlich macht.“ Denn zwischen nützlich und praktisch besteht ein kleiner, aber feiner Unterschied.
- ein Gespräch mit Alexandra von Frankenberg, Gründerin von Amsel Trachten in München und erfolgreiche Innenausstatterin.
- Design ist Kunst, die sich nützlich macht
- Ein talentierter Designer ist nicht auf ein Produkt und eine Branche beschränkt
- Die Harmonie von Form und Funktion muss immer das Ziel sein
Was ist überhaupt Design?
Alexandra von Frankenberg: „Ich glaube, dass man das grundsätzlich nur schwer beantworten kann. Aber ich berufe mich da immer auf Carlos Obers, den legendären Werbetexter. Er hat in den Achtzigern den Satz geprägt: „Design ist Kunst, die sich nützlich macht“. Und ich finde, das fasst es perfekt zusammen. Denn gutes Design ist Kunst, definitiv.“
Ist gutes Design auch praktisch?
Dr. Alexander Klose: „Wenn wir schon bei Sprüchen sind, dann geht es beim Automobil meist klar nach dem Motto: „form follows function“. Denn ein Auto muss einen Zweck erfüllen und danach muss man es gestalten. Eine Ästhetik muss natürlich da sein, klar, aber das eine funktioniert nicht ohne das andere. Es ist ein Zusammenschluss, der beides braucht. Die Funktion ist nie schön und die Form ohne Funktion alleine auch nicht. Dazu kommt beim Auto noch ein weiterer Faktor, denn man kann nicht alles umsetzen. Design muss immer auch mit dem Engineering Hand in Hand gehen und dabei muss man aber auch immer ein Auge darauf haben, dass sich die Dinge nicht verselbstständigen. Man muss sich im Entstehungsprozess immer fragen: „Braucht es diese Funktion überhaupt? Nutzt sie dem Kunden wirklich etwas?“ Denn nur wenn es etwas bringt, wenn der Kunde davon einen Nutzen hat, hat man gutes Design geschaffen.“
Alexandra von Frankenberg: „Du brauchst kein Rad designen, das viereckig ist. Natürlich ist es eine Kunst ein schönes Rad zu designen, aber es muss eben rund sein. Aber nützlich ist nicht gleich praktisch. Denn gutes Design, also etwas Schönes, muss nicht zwingend praktisch sein. Als Beispiel nehme ich gerne den Sessel, den ich im Wohnzimmer stehen habe. Er ist ein Designerstück und wunderschön, aber er ist nicht unbedingt praktisch. Klar, man kann auf ihm sitzen, aber er ist nicht superbequem und er ist riesengroß. Er ist aber auch nicht ungemütlich und man kann auf ihm sitzen, wenn man möchte. Er ist also nützlich, aber eben nicht praktisch. Und deswegen gilt für mich ganz klar, dass gutes Design nicht praktisch sein muss.
Kann ein guter Designer alles designen?
Alexandra von Frankenberg: „Ein Designer muss sich immer in ein Produkt hineinversetzen können. Er muss wissen das die Materialien und die Technik ausmacht. Beim Schneidern etwa musst du genau wissen wofür ein Kleidungsstück verwendet wird, man kann nicht einfach irgendetwas schneidern. Im Prinzip würde ich aber schon sagen, dass ein guter Designer in allen Branchen arbeiten kann, wenn er das Produkt verstanden hat.“
Dr. Alexander Klose: „Das Verständnis der Funktion ist für das Design eines Autos essenziell. Denn es geht dann schnell um Themen wie Aerodynamik und Effizienz, was natürlich sofort einen Effekt auf Verbrauch und Kosten hat. Die Gestaltung macht bei diesen Themen wahnsinnig viel aus. Die Funktion hat deshalb einen sehr hohen Stellenwert und der Grat, den unsere Designer wandeln müssen, ist extrem schmal. Denn natürlich ist die Kaufentscheidung für Auto immer auch eine emotionale. Und mit einem unästhetischen Fahrzeug gewinnt man keine Herzen. Bei uns geht also das eine ohne das andere nicht, Form und Funktion müssen in perfekter Balance gehalten werden.“
Braucht gutes Design einen Wiedererkennungswert?
Alexandra von Frankenberg: „Da bin ich unentschlossen. Wenn du als Designer bekannt wirst, egal ob in der Mode oder im Interior, dann hast du natürlich deine eigene Sprache und damit einen Wiedererkennungswert. Aber ob gutes Design den Wiedererkennungswert unbedingt braucht? Ich glaube nicht. Ein guter Designer kann alles machen, auch neues, wenn er ein gutes Gefühl für Ästhetik hat. Vor allem ist ein Design erst dann gut und pur, wenn wenig Egoismus dabei ist. Das Produkt, oder die Einrichtung muss ihren Anforderungen gerecht werden und nicht zwingend dem, was meinen Stil auszeichnet.“
Dr. Alexander Klose: „Das finde ich sehr interessant, denn ich habe so einen Egoismus-Fall schon einmal gehabt. Da haben wir mit einem Designer zusammengearbeitet, einem mit dem besten Ruf und ausgezeichneten Referenzen, der seinen völlig eigenen Egoismus entwickelt hat und ein Auto gezeichnet hat, das allein seinen Vorstellungen entsprochen hat, aber was in die völlig falsche Richtung lief. Das hat mir gezeigt, dass jemand mit viel Ruhm und beeindruckendem Portfolio nicht zwangsläufig ein guter Designer sein muss.“
Alexandra von Frankenberg: „Ich glaube, dass ein guter Designer zu sein eigentlich bedeutet, sich selbst nicht so ernst zu nehmen, beziehungsweise sich nicht in den Vordergrund zu stellen. Natürlich ist das in der Sache schon ein Widerspruch, denn natürlich willst du als Designer auch erkannt werden. Aber man muss zwischen den Zeilen lesen können und zwischen den Wünschen des Kunden und den eigenen Vorstellungen klar vermitteln. Ich mache es meist so, dass ich meine Ideen so einbringe und zur Diskussion stelle, dass der Kunde am Ende denkt, dass es seine Idee war. Dann sind beide Seiten glücklich.“
Fällt Ihnen schlechtes Design sofort auf?
Alexandra von Frankenberg: „Definitiv. Man kann nicht nur schlechtes Design erkennen, sondern auch schlechte Qualität. Aber es ist natürlich auch ein sehr subjektives Thema. Für den einen ist es „mega“, für den anderen „Oh Gott“. Dinge wie Qualität und Funktion kann man viel besser bewerten und auch objektiv einschätzen, weil es messbare Faktoren sind. Aber auch Dinge, die nicht mehr im Trend sind, müssen nicht zwangsläufig schlecht sein. Wenn man sie neu denkt, neu macht und einfach mit neuen Emotionen auflädt, dann kann man plötzlich wieder eine ganz neue Welle lostreten.“
Dr. Alexander Klose: „Aber ich bin schon der Meinung, dass gutes Design häufig praktisch ist. Wenn es unpraktisch ist, dann ist es in meinen Augen auch kein gutes Design mehr. Es sei denn du willst vielleicht die Funktion gar nicht unbedingt. Etwa wie bei einem Sessel, der zwar gut aussieht, aber der nicht bequem ist. Als Anschauungsobjekt ist er toll, aber wenn man jeden Tag in ihm sitzen müsste, dann würde man ihn sich eher nicht anschaffen.
“Wie behauptet man sich auf einem sehr traditionellen und konservativen Marktumfeld wie der Trachtenmode?
Alexandra von Frankenberg: „Gute Frage. Wir sind nicht gestartet mit dem Anspruch die Branche auf den Kopf zu stellen. Wir haben angefangen mit dem, was uns Spaß macht, mit etwas Neuem in einer traditionellen Branche. Tracht ist etwas, das es seit Jahrhunderten gibt, es ist eine Branche, die nie aussterben wird, weil sie zum Land und zu den Leuten gehört. Wir mischen jetzt einfach diese Tradition mit Moderne und auch wenn es ausgelutscht klingen mag, es funktioniert. Und es funktioniert sehr gut. Gerade bei den jungen Generationen erlebt die Tracht seit einiger Zeit einen regelrechten Boom. Aber der moderne Kunde ist auch anspruchsvoller, er verlangt nach neuen Looks, nach neuen Trends und das alles in dem sehr eng gefassten Rahmen der Tracht. Die Herausforderung liegt deshalb in der ständigen Neuerfindung und Innovation des Bekannten.“
Liegt darin der Schlüssel für den Erfolg in solch‘ hart umkämpfen und gut besetzten Branchen mit einem kleinen Team die großen Konzerne zu überholen?
Alexandra von Frankenberg: „Ich will nicht von überholen sprechen. Denn wir haben unseren Fokus auf anderen Dingen als nur Stückzahl. Fleiß ist aber ein Riesenthema in diesem Zusammenhang. Gerade am Anfang von Amsel haben wir wahnsinnig diszipliniert und konzentriert gearbeitet, jeden verdienten Euro direkt wieder in die Firma gesteckt und alle Freizeit investiert. Wir haben viele Abstriche gemacht, privat wie finanziell, aber wir haben es mit Leidenschaft gemacht. Und die Leidenschaft ist der Schlüssel zum Erfolg. Wenn du mit Feuer bei der Sache bist, dass gehst du jeden Tag gerne ins Büro oder ins Studio, dann ergeben sich viele Dinge wie von alleine. Der zweite wesentliche Faktor ist die Qualität. Denn am Ende ist es immer die Qualität, die entscheidet. Wir hatten da am Anfang wirklich große Probleme: Produktionsstätten die gar nicht geliefert haben, oder solche, die einfach schlechte Qualität abgeliefert haben. Dann musst du das auch transparent kommunizieren und schauen, wie du die Kuh vom Eis bekommst.“
Dr. Alexander Klose: „Qualität ist auch für uns der Schlüssel. Wenn du als chinesischer Startup nach Europa kommst, dann wirst du in der Branche natürlich kritisch verfolgt. Jede Schwäche wird sofort ausgenutzt. Doch genau das war unser Antrieb. Nicht nur ein preiswertes Auto zu bauen, sondern ein sehr solides. Und das zum genau richtigen Zeitpunkt. Der Egoismus, den du vorhin angesprochen hast, der ist sicher beim ein oder anderen traditionellen Hersteller noch vorhanden. Und genau hier kann man überholen. Wir starten alle mit einem weißen Blatt Papier beim Thema Elektromobilität. Wir alle haben die gleichen Probleme und die Vorteile einer langen Historie sind nicht mehr so nutzbar wie sie es bei konventionellen Autos waren. Dazu kommen die immer kürzeren Entwicklungszeiten, die der Markt verlangt, auch hier sind wir mit einem jungen und schlanken Unternehmen viel flexibler.“
Alexandra von Frankenberg: „Das ist bei uns zum Glück nicht so. Mit den Volksfesten hat man immer die gleichen Zyklen, zu denen die Nachfrage am größten ist. Zwar sehen wir auch immer mehr Anfragen nach Trachten für Hochzeiten und andere Feiern, aber der wichtigste Termin für unsere Kollektionen ist noch immer das Oktoberfest in München. Deshalb sind wir sehr froh, dass wir in diesem Jahr wieder aktiv den Look der sogenannten Wiesn mitgestalten können.“